Eine Hand hält die Buchcover der zwei Teile von Lize Meddings »The Sad Ghost Club« vor einer Steinwand. Davor steht die Überschrift des Artikels: Wenn Trauer, Einsamkeit und Ängste einen Raum finden. Lize Meddings schafft mit Comics Empowerment und Aufklärung.
Comic

Wenn Trauer, Einsamkeit und Ängste einen Raum finden – The Sad Ghost Club

Lize Meddings Comics schaffen Empowerment und Aufklärung für mentale Gesundheit

CN: Depression, mentale Gesundheit, soziale Ängste

Manchmal ist die Welt um mich herum trüb, als ob alle Farben runter gedreht wurden. Mein Körper fühlt sich taub an, obwohl ich alles auf einmal fühle. Dann reicht die Kraft kaum, um aufzustehen. Und schon gar nicht, um Nachrichten zu beantworten, Leute zu treffen oder einfach rauszugehen. Langsam fühle ich mich unsichtbar, als ob ein Filter über mich gelegt ist, der mich von der Welt trennt. Als wäre ich ein einsames Gespenst – ein Sad Ghost.

So können sich depressive Phasen anfühlen – oder so fühlt es sich zeitweise für mich an. Denn Depression begleitet mich schon viele Jahre. Lange konnte ich es nicht verstehen, hab es mir ausgeredet oder keine Worte für mein Empfinden gefunden. Habe nicht verstanden, dass es anderen nicht so geht und sie mich deshalb nicht verstehen können. Doch die Auseinandersetzung mit Problemen meiner mentalen Gesundheit, zu dem unter anderen Depression gehört, hat mich mehr zu mir selbst geführt. Hat mir geholfen, mich selbst besser zu verstehen und bei mir zu sein. Und das ist vielleicht ein wichtiger Schritt, um damit umgehen zu können.

Auf diesem Weg begleitet mich seit vielen Jahren das Projekt The Sad Ghost Club von Lize Meddings. Die Britin hat 2014 mit ein paar kurzen Comics und Bilder über Gespenster begonnen, die sich fremd in der Welt um sich herum fühlen und von ihr und ihren Gefühlen erdrückt werden. Was als Verarbeitung des eigenen Empfindens angefangen hat, fand schnell viele Anhänger*innen. Viele Menschen haben sich in den sad ghosts wieder erkannt oder verstanden gefühlt. Und in kurzer Zeit wuchs der Sad Ghost Club zu einem Empowerment, Selbsthilfe und Awareness Projekt rund um Depression und mentale Gesundheit an. Mittlerweile gibt es auch zwei Comics über die Herausforderungen und Probleme der Gespenster.

The Sad Ghost Club – Find your kindred spirits

In dem 2021 erschienen Comic »The Sad Ghost Club – Find your kindred spirits« geht es darum zu erkennen, dass alle Gefühle ihre Berechtigung haben, auch wenn andere sie vielleicht nicht nachvollziehen können. Dass soziale Kontakte, ein geregelter Alltag oder neue Begegnungen für einige schwieriger sind als für andere. Und dass Ängste allgegenwärtige Begleiter*innen sein können. Doch auch darum, dass wir mit all dem nicht allein sind. Und so finden sich wie zufällig die zwei Gespenster SG und Socks auf einer Party, mit der beide nichts anfangen können. Schnell stellen sie fest, dass sie mit ihren jeweiligen Problemen keine Einzelfälle sind und die zwei vielleicht mehr gemeinsam haben, als sie vielleicht denken.

Im zweiten Comic der »Sad Ghost Club«-Reihe aus 2022 setzt Lize Meddings direkt da an, wo die Geschichte aufgehört hat – auch wenn sich die beiden Gespenster Socks und SG gefunden und vor allem verstanden gefühlt haben, sind neue Beziehungen nicht leicht. Vor allem nicht, wenn du selbst deine eigenen Zweifel, Unsicherheiten und Ängste mit dir herum trägst. Durch die ist es oftmals schwierig, neue Beziehungen aufzubauen oder alte zu pflegen.

Wie sich in diesem Spannungsfeld gerade Menschen gegenseitig unterstützen können, die Ängste und Zweifel mit sich herum tragen, thematisiert Meddings im zweiten Teil des »Sad Ghost Club«. Und erzählt damit die eigentlich viel wichtigere Geschichte nach einem scheinbaren Happy End, nach dem ersten Schritt. Denn der zweite ist meist viel schwerer – oder führt in eine andere Richtung, oder gar zurück. Auch wenn ich Menschen finde, die mit den gleichen Problemen hadern wie ich, lässt mich das nicht meine eigenen vergessen.

Gefühle und Zweifel brauen Raum

Das besondere an den Arbeiten von Lize Meddings ist, dass sie mit den Figuren der Geister ein Bild gefunden hat, das Betroffene sofort nachvollziehen und nachfühlen können und Unbeteiligten einen leichten Zugang zu Themen von mentaler Gesundheit verschafft. Die Comics sind einfach aufgebaut, haben keine inhaltlichen Verstrickungen sondern eine ganz klare Linie – es geht hier um emotionale Innenwelten und Überforderungen, die angesprochen und thematisiert gehören. Gefühle brauchen ihren Platz und haben ihre Berechtigung. Komplexe Handlungsstränge würden da nur vom eigentlichen Kern ablenken. Denn mit (emotionaler) Überforderung kann nur mit Einfachheit begegnet werden. Das drücken auch die reduzierten Aquarelle aus, die gerade durch ihre scheinbare Simplizität einen unglaublich großen Wiedererkennungswert haben.

Manchmal braucht es nicht viel um eine große Wirkung zu erzielen.

Manchmal ist der erste Schritt der schwerste.

Manchmal reicht ein trauriges Gespenst, um sich verstanden und gesehen zu fühlen.

Manchmal hilft es, zu wissen, dass ich nicht allein bin.

Zu wissen, dass die Welt voller trauriger Gespenster ist.

Und das ist ein großes Geschenk. Denn so wird ein einfacher Comic über traurige Gespenster zu einem großem Empowerment- und Selbsthilfeprojekt. Gerade im Kontext von mentaler Gesundheit, die im kapitalistischen System so stigmatisiert und abgewertet wird, weil es darum geht zu funktionieren, ist es um so wichtiger, darüber zu sprechen. Damit Menschen geholfen werden kann, die sich vielleicht selbst nicht helfen können. Oder die nicht wissen wie. Einsicht, Verständnis und Gemeinschaft sind dabei nur ein paar Teile der Lösung, wenn auch wichtige. Genau so wie für mich auch der Sad Ghost Club zur Lösung gehört. Und dafür bin ich unglaublich dankbar.

Fazit

Lize Medding hat mit dem Sad Ghost Club ein Empowerment- und Aufklärungsprojekt zum Thema mentale Gesundheit geschaffen. Vor allem für Menschen, die kämpfen, allein sind und sich gesehen fühlen müssen. Aber auch für Außenstehende, die vielleicht dadurch verstehen können, was in den traurigen Gespenstern um sie herum vorgeht.

Vor der Lektüre

TW und CN: Depression, Ängste, mentale Gesundheit

Bisher sind die Comics von Lize Meddings nur auf Englisch erschienen.
Die »The Sad Ghost Club« Reihe ist bei Hodder & Stoughton verschienen und über verschiedene Versandhändler*innen erhältlich.

Im Shop vom Sad Ghost Club gibt es darüber hinaus Buttons, Pins und andere Prints.


Eine Hand hält das Buchcover von Susanna Kaysen »Girl, Interrupted« vor einer Steinwand. Davor steht die Artikelüberschrift: Leben, unterbrochen – Girl, Interrupted. Susanna Kaysen über ihren Klinikaufenthalt und das Leben mit Borderline.

Mehr zum Thema mentale Gesundheit gibt es hier: »Leben, unterbrochen – Girl, interrupted«

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