Vor einer Steinwand steht ein Koffer auf dem ein Stapel mit den SPRING Magazin Ausgaben 3 bis 17. An dem Stapel lehnt die aktuelle Ausgabe 18. Davor steht der Titel des Beitrags: Es lebe die feministische Comic-Anthologie. Das SPRING Magazin #18 über die großen und kleinen Freiheiten.
Comic

SPRING Magazin: Es lebe die feministische Comic-Anthologie

Oder über die großen und kleinen Freiheiten

Sich nachts frei und sicher auf der Straße bewegen. Das tun, worauf ich Lust habe, ohne darauf zu achten, was andere davon halten. Nicht daran denken müssen, wie morgen Essen in meinen Bauch kommt. Wo ich einen Schlafplatz finde. Oder ob ich in dem Land, in dem ich lebe, noch sicher bin. Was bedeutet für uns Freiheit? Und kann mensch überhaupt wirklich frei sein?

Mit diesem großen und weitem Thema beschäftigt sich die aktuelle Ausgabe des SPRING Magazins. Bereits zum 18. mal erscheint diesen Herbst die Comic-Anthologie. Und in 2021, nach der Enge der Corona-Pandemie, beschäftigen sich die 11 Künstlerinnen mit »Freiheit«.

Für mehr Sichtbarkeit von (Comic-)Künstlerinnen

Das SPRING Magazin ist bereits seit vielen Jahren eine feste Institution im deutschen Comic-Bereich. Seit 2004 erscheint jährlich eine Sammlung von Arbeiten zu einem bestimmten Thema. Und das besondere dabei: an SPRING arbeiten nur Künstlerinnen. Mit dem Zusammenschluss und der jährlichen Publikation wollen sie mehr Aufmerksamkeit für Frauen, die im Bereich Comic und Illustration arbeiten – einem Gebiet, das jahrelang stark männlich dominiert wurde und noch immer wird. Dabei ist die ganze Produktion des Magazins weiblich, in wechselnder Besetzung. Denn obwohl es einige Künstlerinnen gibt wie Moki oder Katrin Stangl, die an fast jeder Ausgabe mitarbeiten, wechseln die Illustratorinnen je nach Thema.

SPRING ist eine Mischung aus klassichen Comics im Panelformat, großformatigen Zeichnungen und Malerien oder Illustrationen. So werden auf ganz unterschiedliche Weise Geschichten erzählt, welche die persönliche Herangehensweise und Arbeitsweise der Künstlerinnen zeigen. Dabei ist jeder Beitrag sehr intim, weil er die eigene Involviertheit der einzelnen Künstlerin mit dem Thema zeigt. Alle Ausgaben sind zweisprachig gestaltet mit jeweils deutschen oder englischen Untertiteln zu den Comics.

Ich bin seit Jahren in dieses feministische Comic-Projekt verliebt und habe mittlerweile fast alle Ausgaben gesammelt. Deshalb soll es heute sowohl um die aktuelle Neuerscheinung aus diesem Jahr gehen sowie ein paar meiner Highlights aus der Vergangenheit.

SPRING Magazin #18 »Freiheit«

Was ist Freiheit? Und können Menschen überhaupt frei sein? Das ergründen die 11 Künstler*innen in der aktuellen Ausgabe. Dabei geht es darum, Mauern zu überwinden, die gar nicht so große Barrieren sind, wie im ersten Moment gedacht, wie die Bilderserie »The Wall« von Doris Freigofas zeigt. »Eh nichts passiert« von Stephanie Wunderlich erzählt davon, wie ein sexualisierter Übergriff das ganze Leben prägen kann und damit viele Freiheiten nimmt.

Der Zugriff auf den öffentlichen Raum, selbstbestimmt am Straßenleben teilzuhaben, sichtbar und unabhängig zu sein, und dabei mit niemanden reden zu müssen (oder eben auch reden zu können, ohne Angst davor zu haben, falsche Signale zu senden, sich als Beute zu gerieren), sollte für alle eine Grundfreiheit sein.

Jule Hoffmann, SPRING Magazin #18 Freiheit, Vorwort.

Die Sammlung wechselt zwischen den großen Emotionen und lässt doch immer Raum und Platz zum Schmunzeln und Nachdenken – etwa wenn Füchse von gesellschaftlichen Normen überwältigt werden oder wenn Kurz-Comics Kapitalismus- und Gesellschaftskritik üben. Mein besonderes Highlight dabei: der Beitrag einer meiner Lieblingskünstlerinnen Mashtari Hilal, die mit ihrer markanten Bildsprache zu Nasen, Haaren und Familie hervorsticht.

Alle Geschichten kommen wie immer sehr intim und privat daher – direkt aus der Erfahrungswelt der Künstlerinnen. Und sie sind auch viel von einer Corona-Zeit geprägt, denn Isolation und sozial media scheinen sehr präsent. Doch bei dem großen Thema »Freiheit« hätte ich mir noch mehr global politische Aspekte gewünscht. Also mehr Diversität in den eigenen Reihen für ein solch weitreichendes Thema.

Triggerwarnungen für die Ausgabe: sexualisierte Übergriffe.


SPRING Magazin #17 »Gespenster«

Welche Gespenster verfolgen dich nachts? Wer lauert unerwartet an der nächsten Ecke oder hält dich vom Schlafen ab? Welche Gespenster werden von Generation zu Generation weiter gegeben? Mit welchen hast du deine täglichen Kämpfe? Welche beschützen dich? Und welche sitzen tief versteckt in der Gesellschaft fest?

So verschieden die Fragen, so vielfältig auch die Antworten. In der Ausgabe »Gespenster« des SPRING Magazins von 2020 gehen 16 Künstlerinnen den eigenen Geistern nach. Jede findet mit dem ganz eigenen Stil eine eigene Geschichte, die erzählt werden muss. Egal ob Kapitalismuskritik, mentale Gesundheit oder intergeneratives Trauma – Gespenster können alles sein und jede Form annehmen.

Mit einer Stimmung zwischen Beklemmung und Empowerment, intimer Selbstoffenbarung und Kampfansage ist »Gespenster« für mich die bisher stärkste und eindrücklichste Ausgabe von SPRING.

Triggerwarnungen für die Ausgabe: mentale Gesundheit, Depression, Krankheit,
sexualisierte Gewalt, intergenerative Traumata.


SPRING Magazin #13 »the elephant in the room«

Die 13. Ausgabe »the elephant in the room« vereint acht Künstlerinnen aus Deutschland und acht aus Indien. Für diese Edition fand in Kooperation mit dem Goethe Institut 2016 ein gemeinsamer Workshop in Bangalore, Indien, statt, bei dem sich die 16 Künstlerinnen und Comiczeichnerinnen austauschten und gemeinsam der Frage auf den Grund gehen konnten, was es für sie bedeutet, eine Frau in der jeweiligen Gesellschaft zu sein.

Rausgekommen sind unglaublich diverse und berührende Bildgeschichten und Comics über Selbstbestimmung, Schönheitsideale, Familienplanung und selbstgewähltes Leben ohne Kinder. Aber auch die Beziehung zum eigenen Körper, Selbstliebe und gewaltvolle Übergriffe spielen eine zentrale Rolle. Diese Ausgabe vom SPRING Magazin ist ein so wichtiger und bereichernder künstlerischer Diskurs über Patriarchat und Feminismus im Hinblick auf Privilegien und Diskriminierung in unterschiedlichen Teilen der Welt.

Triggerwarnungen für die Ausgabe: sexualisierte Gewalt, Frauenfeindlichkeit.


SPRING Magazin #9 »Reineke F.«

Für die 9. Ausgabe, die 2012 erschien, nahmen sich 12 Künstlerinnen die 12 Gesänge Gothes über Reineke Fuchs vor und schafften eine unglaublich vielfältige Comic-Adaption. Dabei sind die einzelnen Gesänge nie nur eine bloße Bebilderung des Textes, sondern immer eine Interpretation, welche die Geschichte über den listigen Fuchs in aktuelle Zusammenhänge und Betrachtungen über Gesellschaft, Patriarchat und Machtstrukturen hebt.

Das SPRING Magazin zeigt mit »Reineke F.« deutlich, was die Stärken des Comics sind: Ein immanentes Spiel zwischen Text und Bild, Zeichen und ihrer Bedeutung und dadurch ein Raum, der Platz für eigene Interpretationen, Gedanken und ganz neue Metaebenen lässt. Und ganz ehrlich, nur 12 Frauen können es schaffen, Goethe auch mal wieder interessant und relevant erscheinen zu lassen. Einfach nur stark!


Vor der Lektüre

Das SPRING Magazin erscheint im Mairisch Verlag.
Die aktuelle Ausgabe #18 »Freiheit« ist auch über den Mairsich Verlag erhältlich.
Leider sind bereits viele ältere Ausgabe vergiffen.

*** unbezahlte Rezension für Rezensionsexemplar (SPRING Magazin #18); alle anderen Ausgaben selbstgekauft. ***


Eine Hand hält das Buch »Auf einem Sonnenstrahl« von Tillie Walden vor einer Steinwand. Davor steht die Überschrift: Auf queer-feministischen Sonnenstrahlen. Der Weltraum-Comic von Tillie Walden.

Lust auf mehr feministische Comics? Dann klick hier: »Auf queer-feministischen Sonnenstrahlen«

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