Gegen Klassismus, für eine gerechte Gesellschaft
Warum wir alle mehr Bücher von Francis Seeck lesen sollten
Klassismus geht uns alle was an. Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft und deshalb sind wir alle auf die ein oder andere Weise von Klassismus betroffen. Und doch ist Klassismus ein Thema, das immer noch viel zu wenig Raum in allen Diskursen finden. Eine der Diskriminierungsformen, die zwar sehr wirkmächtig ist, aber immer noch zu wenig Beachtung erfährt. Selbst der Begriff »Klassismus« noch nicht selbstverständlich in weiten Teilen der Gesellschaft angekommen.
Klassismus ist die Diskriminierung aufgrund der Klassenherkunft, -zugehörigkeit oder -position. Sie richtet sich gegen erwerbslose, einkommensarme und wohnungslose Menschen sowie Arbeiter*innenkinder. Klassismus hat Einfluss auf Gesundheit und Lebenserwartung, auf die Zugänge zu Bildung und Wohnraum, auf gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe. Zusätzlich geht es auch um gesellschaftliche Vorurteile und Kapitalismus-Lügen wie: »Arme sind selbst an ihrer Situation schuld!« »Du muss dich nur genug anstrengen« »Arbeitslose sind faul und dumm« – und so weiter.
In Deutschland hat Klassismus eine ganz besondere Bedeutung, weil seit Jahren bekannt ist, dass der sozio-ökonomische Hintergrund der Eltern maßgeblichen Einfluss auf die Bildungsmöglichkeiten und Abschlüsse des Kindes hat. Zudem wird seit über 20 Jahren über Hartz IV – jetzt Bürger*innengeld – mit zugehörigen Leistungen, Pflichten, Ausschlüssen und Sanktionen gestritten. Darüber hinaus wird der Unterschied zwischen armen und reichen Menschen immer größer. In Deutschland besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung 62 % des Gesamtvermögens, während die ärmsten 50 Prozent nur 3,4 % aller Vermögen besitzen.
Klassismus ist ein queeres Thema
Zudem ist Klassismus ein wichtiges feministisches und queeres Thema. Seit den 1980er Jahren wird mit dem intersektionalen Ansatz vor allem race, class und gender vermehrt zusammen gedacht. Weil Kapitalismus super mit Patriarchat und Rassismus funktioniert und sich alle Ausbeutungs- und Diskriminierungserfahrungen gegenseitig bedingen. Gerade alleinerziehende Frauen, Queers und Menschen mit (zugeschriebener) Migrationsgeschichte sind von Klassismus betroffen.
Unter den Queers sind es vor allem trans*, inter* und nicht-binäre Personen, die verstärkt von Einkommensarmut, Erwerbslosigkeit und Wohnungslosigkeit betroffen sind. Deshalb sind anti-kapitalistische Forderungen eng mit den Anfängen der queeren Bewegung und den Stonewall Riots verbunden. Gleichzeitig halten sich Narrative von den Wohlstands-priviligierten Queers und der pink economy. Gewonnen hat auch hier nur der weiße schwule cis Mann.
Es ist also höchste Zeit für die Auseinandersetzung mit Klassismus und anti-kapitalistischen Perspektiven – vor allem aus queerer Perspektive.
Francis Seeck als queere*r Klassismusexpert*in
Besonders geeignet dafür sind die Bücher und Texte von Francis Seeck. Francis Seeck (geb. 1987) ist unter anderem Professor*in für Soziale Arbeit und Antidiskriminierungs-Trainer*in, forscht, bildet aus und weiter und schreibt seit mehreren Jahren zum Thema Klassismus. Dabei ist Francis Seeck selbst queer und Klassenübergänger*in und lässt diese Perspektiven und Erfahrungen als Reflexionen mit in die Texte einfließen.
Eine der vielen Stärken von Francis Seecks Büchern, Essays und allgemein Texten, ist die leicht verständliche Sprache. Denn Sprache ist ein Mittel der Macht und des klassistischen Ausschlusses. Francis Seeck ist es deshalb besonders wichtig, gut verständlich für möglichst viele Menschen zu schreiben. Und das ermöglicht es, mit jedem Buch und an (fast) jeder Stelle in die Auseinandersetzung mit Klassismus einzusteigen.
Auch der Hintergrund in der politischen Bildung ist bei Francis Seeck zu spüren, denn es geht darum, aufzuklären und Bewusstsein zu schaffen. Die (Selbst-)Reflexion wird angeregt, um eine Anleitung zu bieten, um möglichst Schritt für Schritt die eigenen Handlungen zu hinterfragen, zu überdenken und zu verändern. Damit haben möglichst viele Menschen Zugänge zu Bildung und politischen Themen – und engagieren sich damit bestenfalls gegen Klassismus.
Solidarisch gegen Klassismus
Zusammen mit der Journalistin und Erwachsenenbildnerin Brigitte Theißl hat Francis Seeck 2020 den Sammelband »Solidarisch gegen Klassismus. Organisieren, intervenieren, umverteilen« herausgegeben. Die vielfältigen Artikel, Essays und Interviews geben einen möglichst breiten Überblick über verschiedene Themen rund um Klassismus, Selbstermächtigung und gesellschaftliche Veränderung. Dabei geht es um Jobcenter und Arbeitsverhältnisse, intersektionale Perspektiven, Bildung, Soziale Arbeit und den Kulturbetrieb.
Aber auch darum, was es heißen kann, solidarisch zu handeln, um die Selbstermächtigung von Klassismus betroffener Menschen und aktivistische Kämpfe. Der Sammelband vereint nicht nur unterschiedliche Textarten, sondern auch sehr verschiedene Perspektiven. Er ist eine perfekte Mischung aus wissenschaftlichen Ansätzen, Analysen und gelebten Erfahrungen. Selten schafft es ein Buch auf so vielfältige Weise eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu bauen und dabei so viele Anknüpfungspunkte zu schaffen.
»Solidarisch gegen Klassismus« eignet sich deshalb sowohl für Fortgeschrittene in der Auseinandersetzung als auch zum Einsteigen in das Thema. Es liefert theoretische Hintergründe und praktische Einblicke, vermittelt wichtige Informationen und sammelt verschiedene Perspektiven zum Thema Klassismus – und ist damit bisher als Publikation (leider) immer noch einmalig im deutschsprachigen Raum.
Klassismus überwinden
In »Klassismus überwinden. Wege in eine sozial gerechte Gesellschaft« verbindet Francis Seeck theoretische Hintergründe und gesellschaftliche Analysen mit eigenen biographischen Erfahrungen und Perspektiven aus der Bildungsarbeit. Der Essay ist als Anleitung gedacht, um aus verschiedenen Klassenpositionen heraus für eine gerechtere Gesellschaft aktiv zu werden. Es geht dabei um die Geschichte der Erwerbslosen Bewegung, klassismuskritisches Handeln aus Perspektive von Klassenüberganger*innen und der von klassistisch priviligierten Menschen.
Dabei steht die Ermutigung zur Reflexion der eigenen Klassenherkunft und -position im Mittelpunkt und die Frage, wie mit den Erkenntnissen im Hinblick auf das Engagement einer gerechteren Gesellschaft umgegangen werden kann.
Klassismus wird in dem Essay von Francis Seeck vor allem im Spannungsfeld von individuellem Erleben und den globalen Auswirkungen, vor allem der Klimakrise, beschrieben. Die Perspektive auf die Klimabewegung und deren klassistische Strukturen ist besonders gelungen. Francis Seeck beschreibt dabei nicht nur den Widerspruch im Klimaaktivismus – Klimakrise betrifft alle, doch die mehrheitlich klassistisch priviligierten Aktivist*innen schließen die meisten Menschen mit den Strukturen ihrer Bewegung aus – sondern gibt auch Hinweise für die eigene politische Arbeit, die sich auf verschiedene aktivistische Kontexte übertragen lässt.
Fazit
Dieses Mal ganz kurz und klar: Klassismus ist ein gesellschaftlich super relevantes Thema und die Bücher von Francis Seeck eine unbedingte Empfehlung für alle!
Vor der Lektüre
Der Sammelband »Solidarisch gegen Klassismus. Organisieren, intervenieren, umverteilen«, herausgegeben von Francis Seeck und Brigitte Theißl als auch der Essay »Klassismus überwinden. Wege in eine sozial gerechte Gesellschaft« von Francis Seeck sind um Unrast Verlag erschienen.
Lust auf mehr Kapitalismuskritik aus queer Perspektive? Dann klick doch mal hier: »Queer und (Anti-)Kapitalismus«